Corona verändert das Zahlverhalten
Stromverbrauch im New Normal
Seit Monaten befinden sich Arbeitnehmer im Homeoffice. Das bedeutet für viele nicht nur eine neue Form des (Zusammen-)Arbeitens, sondern steigert auch ihre Bedarfe. Denn wer sich den ganzen Tag zu Hause aufhält und täglich mindestens acht Stunden am Computer arbeitet, verbraucht wesentlich mehr Strom und Wasser. Die Folge: saftige Nachzahlungen und nach oben korrigierte Abschläge. Durch den erhöhten Verbrauch flatterten bereits in den letzten Wochen bei den ersten Verbrauchern die Nachzahlungsaufforderungen ins Haus. Und ich bin mir sicher: Das ist nur der Anfang der Corona-bedingten Auswirkungen auf die Branche.
Abgesehen von den Heimarbeitern waren laut der Bundesagentur für Arbeit durch Corona zeitweise mehr als zehn Millionen Deutsche in Kurzarbeit, Zehntausende verloren ihre Jobs. In dieser schwierigen Situation fällt bei den Betroffenen das Bezahlen der Stromrechnung auf der Prioritäten-Liste zurück. Muss der Gürtel enger geschnallt werden, überlegen sich viele Verbraucher sehr genau, welche Rechnung sie zuerst – oder überhaupt – bezahlen. Die Rechnungen von Grundversorgern, die zur Stromversorgung verpflichtet sind, werden häufig zuletzt beglichen. Auch, weil deren Mahnstrategien i.d.R. nicht auf Ausnahmefälle wie die Corona-Pandemie angepasst sind.
Dazu muss man sagen, dass Zahlungsausfälle nicht erst seit Corona eine Herausforderung für Energieversorger darstellen. Laut den Jahresberichten von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt werden jährlich Stromanschlüsse in rund 300.000 Haushalten gesperrt, Millionen Haushalten droht die Sperrung. Hinzu kommt, dass seit der Öffnung des Strommarktes 1998 jeder seinen Stromanbieter frei wählen kann.
Kundenverlust verhindern
Allein in Deutschland gibt es heute mehr als 1.300 Stromlieferanten, die um Kunden werben. Somit besteht die Gefahr, dass Stromkunden im schlimmsten Fall ihre Rechnungen nicht bezahlen und einfach den Anbieter wechseln, sodass der finanzielle Schaden für die Lieferanten weiter anwächst. Durch die Corona-bedingten Mehrverbräuche im Privathaushalt kann sich die Situation für Verbraucher sowie für Stromanbieter also weiter verschärfen.
Die steigenden Abschlagszahlungen werden bei den Stromanbietern zwangsläufig zu mehr offenen Forderungen führen. Daher sollten sie sich rechtzeitig vorbereiten, um für vorhersehbaren Ausfälle prozessual gewappnet zu sein. Energieversorger können auf das veränderte Zahlverhalten zum Beispiel mit angepassten Risikoprüfungen bei der Kundenannahme, attraktiveren Zahlungsmethoden sowie flexiblen Zahlungszielen reagieren. Denken Sie etwa an die zahlungswilligen Kunden, die sich infolge der Corona-Krise nur in einer temporären Arbeitslosigkeit befinden. Für sie sollten auf jeden Fall andere Zahlungsmodelle greifen als für Zahlungsverweigerer.
Ziel muss es immer sein, Forderungsausfälle bei zahlungswilligen Kunden zu vermeiden und so auch langwierige Zutrittsklagen für die Strom-Sperrung abzuwenden.